Monatsarchiv: November 2012

Chance vertan.

Die Lennershofsiedlung in Bochum ist ein typischer Vertreter der grauen Architektur. Eine Wohnsiedlung aus den 50er Jahren, schnell hochgezogen, weil man Wohnraum brauchte und keinerlei Anspruch an die Architektur zu stellen hatte. Im wesentlichen wohl im Eigentum der Wohnungsbaugesellschaft VBW ist der Lennershof eine jener vielen gleichartigen Siedlungen, die dieses Ruhrgebiet beim Durchfahren so grau und piefig machen. Vor den Häusern Grasfläche, dahinter auch. Früher gabs da mal Wäschestangen.

Zugegeben: Die Bebauung ist relativ dünn, nach sechzig Jahren Vernachlässigung ist einiges an Bäumen da. Ein paar Häuser wurden von der VBW verkauft und sind in den letzten beiden Jahren buntig angemalt worden. Definitiv ein Gewinn – wie’s vorher aussah, kann man auf Googles Streetview noch nachvollziehen. Trotzdem verfiel die Siedlung zunehmend. Was den Lennershof von den anderen gleichartigen Ecken unterscheidet: Er liegt direkt neben der Uni. Den Unis, um genau zu sein, nämlich zwischen der RUB und der heutigen Hochschule, der Ex-FH. Er liegt direkt neben der U35. Er liegt nah an der A43/A44.

Planskizze (Stadt Bochum)

Und er gehört wie gesagt der VBW, und die sieht vermutlich ein hohes Sanierungspotential bei der alten „Schlichtbebauung“ und große ungenutzte Flächen, auf denen man eigentlich neu und zeitgemäß bauen und Geld verdienen könnte. Und es gibt die Stadt, die irgendwie vorwärts kommen will, und für die die Uni das mittlerweile größte (und so ziemlich noch einzig vorhandene) Zukunftspotential darstellt. Und die Wohnraum für Studenten braucht. Wofür sich alles, wo „Uninähe“ dransteht, nunmal anbietet.

Also wurde das Gebiet richtigerweise 2007 zum Stadtumbaugebiet erklärt. Man wollte abreißen am Lennershof und neu bauen, am Besten ein bisschen modern. Und zwar an der Ecke, in der heute schon die Uni in ein paar der Schlichtbauten eingezogen ist, schräg gegenüber des neuen Ingenieursgebäudes ID.

2008 kam man mit einem Ideenwettbewerb um die Ecke, und gab dafür 100.000 Euro aus. Dessen erster Preis, ein Entwurf der Luczac-Architekten aus Köln, war ziemlich spannend: Ein runder, zweigeteilter Baukörper mit portalartigen Durchlässen, umgeben von kleineren Einheiten. Diese „Arena“ hätte einen Innenhof geschaffen, über den aus man vom Nordostzipfel der RUB auf die Brücke über die Unistraße spaziert wäre:

„Arena“ (Luczak Architekten)

Das ganze hätte einen schönen Brückenschlag bilden können von den Unis zum auf der anderen Seite der Unistraße liegenden Aspei mit seinen Studentenwohnheimen. Es hätte ein paar Nahversorgungsmöglichkeiten für die Studierenden an der Hochschule geschaffen, die nicht immer durch die Uni bis ins Unicenter gemusst hätten. Es hätte die Hochschule und die RUB weiter verbunden. Es hätte mehr Bewohner in die Nähe des Buscheyplatzes gebracht, an dem sich dann vielleicht dochmal noch eine zweite Kneipe halten würde. Eigentlich wär’s eine feine Sache geworden.

Womit man mal wieder nicht gerechnet hatte, waren die Anwohner, die ihre heruntergekommene Siedlung liebgewonnen hatten. Bochumer und Neuerungen, das geht nicht gut. Die Anwohner taten also erstmal nix, und schrien dann 2009 laut auf ob der geplanten Veränderung. Beschwerten sich, dass sie erstens nichts mitgekriegt hätten (dabei stands schon 2008 groß in der Zeitung). Dass ihre Kinder keine Spielplätze mehr finden würden. Dass aber Kinder dann in der Arena spielen würden, und dass das eine Lärmbelästigung sei, wie schon am Buscheyplatz. Dass Bäume gefällt werden würden (das zieht immer, weil wir ja Grüne im Stadtrat an der Macht haben). Dass man nun befürchte, die angeblich vorhandene kuschelig-idyllische Atmosphäre des Viertels zu verlieren. (Nochmal zur Erinnerung: Spätestens seit 2007 war klar, dass die Stadt bauliche Veränderungen in diesem Gebiet vorhat. Wer in den letzten fünf Jahren hier her zog, konnte das wissen.) Hauptzielgruppe jeder Entwicklung an dieser Stelle sollten gefälligst Familien sein, „junge“ am besten. Punkt. Warum eigentlich?

Worauf die Stadt Bochum postwendend Panik vor Stuttgart’schen Wutbügern bekam (von denen eine auch noch eine SPD-Ratsfrau war), und 2011 einen „Moderationsprozess“ einstieg (Kosten: Nochmal 20.000 Euro), den die Anwohner – liest man im Abschlussbericht zwischen den Zeilen –  nach Kräften torpedierten. Des lieben Friedens willen (und auch weil man bei der Arena technische Realisierungsschwierigkeiten beim erwünschten phasenweisen Bau befürchtete) wurde durch die Stadt entschieden, das Konzept der Arena nicht weiter zu verfolgen. 300 potentielle Wutbürger blockierten ein wichtiges Entwicklungsprojekt einer 300.000-Einwohnerstadt. Und, wie das so üblich ist in Bochum: Niemand interessierte sich wirklich dafür.

Man hat sich also Stadt- und Investorseitig von einer mutigen Lösung verabschiedet und sich nochmal die Wettbewerbsergebnisse angesehen. Der dritte Preis des Wettbewerbs (von Heinle, Wischer und Partner) stand sichtbar Pate für den heutigen Bebauungsplan (gegen den die Anwohner natürlisch weiterhin protestieren). Schräg gegenüber ID steht ein solitäres turmartiges Gebäude, dahinter fächern sich in der üblichen wohnbauland-langweiligen Standardanordung ein paar Riegel auf. Vom Wettbewerb abweichend wird (schließlich will die VBW in dieser potentiell hochpreisigen Lage Wohn- und Bürofläche zum Vermieten schaffen), ein großer, S-förmiger Gebäudekomplex geplant, der den Weg von der Uni zur Brücke über die Uni-Straße auf der linken Seite wohl recht massiv begleiten wird, dafür aber billig zu bauen sein wird. Hurrah.

Aktueller Entwurf für Bebauungsplan (Stadt Bochum)

So von oben gesehen erinnert mich das an ein großes Fragezeichen. Ich finde, das passt. Vom Brückenschlag ist nichts mehr übrig. Von spannender Architektur auch nicht. Da wirds ein paar langweilige mittelgroße und ein noch langweiligeres großes Haus geben, die irgendwie im Weg rumstehen, und einen Weg, den im Dunkeln keine Frau gehen möchte – links ein Riesengebäude, rechts Wiese oder Gestrüpp, dunkel. Die Aufenthaltsqualität in diesem Neubaugebiet wird gleich Null sein. Da ist keine Struktur, kein Platz, kein nichts. Kein Edeka und kein Eiscafé, keine Bäume, kein Platz zum Spielen für kleine und große Kinder. Kein Leben, kein kleines Zentrum für’s Viertel. Mit dem ursprünglichen Wettbewerbssieger hätte man das alles haben können.
Die dauernölenden Anwohner haben sich diese neue Bochumer Langweilerei selbst zuzuschreiben. Sie haben nichts Besseres verdient. Die Uni, die Hochschule, die Studenten und die Stadt Bochum eigentlich schon.

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November 29, 2012 · 12:57 pm

Ich versteh nur Bahnhof…

Die WAZ berichtet, dass Bochum plane, für 4,5 Millionen den Busbahnhof am Hauptbahnhof aufzufrischen. Was die Verwaltung auch bestätigt habe, die Vorplanung laufe bereits. Was ich interessant finde, denn im Ratsinformationssystem der Stadt gibt es zu einem geplanten Umbau des Busbahnhofes null komma nix. Kann es sein, dass die Verwaltung (und VRR, Bogestra etc., aber das ist bekanntlich linke-Tasche-rechte-Tasche) 4,5 Millionen Euro mal eben so übrig hat, und diese Investition (von der architektonischen Gestaltung und den gestalterischen Möglichkeiten und Notwendigkeiten, die sich an dieser zentralen Stelle bieten, mal abgesehen) weder im Stadtrat, noch in den Ausschüssen, noch in der Bezirksvertretung diskutiert wurde, noch im Hochbausanierungsprogramm erwähnt wird? Was werden denn da schon wieder unter dem Radar für Entscheidungen vorbereitet?

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November 27, 2012 · 8:03 am

Zum Abkühlen

haben sich die Mädels von Femen wohl nicht letzten Samstag mit oben nix (so eine Formulierung geht nur hier im Pott, ich finde sie großartig) vor ein Kölner Bordell gestellt. Neien, es ging den Blankbebrüsteten natürlich um Protest gegen Ausbeutung und den weiblichen Körper als Ware. Und da die Damen wissen, dass ein Leserbrief an die Apothekenrundschau diesbezüglich wenig Aufmerksamkeit erregen dürfte, greifen sie zu einem Mittel, das ihnen mediale Aufmerksamkeit zu Hauf zu teil werden lässt: Sie ziehen in aller Öffentlichkeit blank. Sex sells, bekanntermaßen. Mit anderen Worten: Um an die möglichst weitreichende Erwähnung in Massenmedien, also die an die Leitwährung unserer modernen Aufmerksamkeitsgesellschaft zu kommen, greifen die Mädels zum weiblichsten aller Mittel und setzen ihren Körper ein. Sie hätten auch in einem Club strippen und das Geld für eine Medienkampagne ausgeben können (nur hätten dann der Clubbesitzer und die Werbeagenturmädels ihren Anteil abhaben wollen, insofern ist das Aussortieren dieser unproduktiven Glieder der Wertschöpfungskette nur logisch). Die Quintessenz ist die gleiche: Der weibliche Körper als Ware. Wie man gegen das Verkaufen weiblicher Körper protestiert, in dem man seinen weiblichen Körper verkauft, erschließt sich vermutlich nur weiblicher Aktivistinnenlogik. Mir nicht.

Naja, in zwanzig Jahren werden sie die Fotos voll Stolz rumzeigen und sagen: „Es war für einen guten Zweck“. Ehrlicher wäre allerdings vermutlich: „Ich war jung, und brauchte die Aufmerksamkeit“.

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Zum Aufwärmen

sei die Ankündigung einer Konferenz beblogget, die die hiesige Uni veranstaltet hat. Die also gleich zwei der „Im Speziellen“-Themen dieses Blogs betrifft. Eine Konferenz, bei der sich die Pressestelle der RUB nicht entblödet, darüber zu jammern, dass ja

„die gesellschaftliche Reproduktionsarbeit weiterhin überwiegend unbezahlt von Frauen geleistet“

wird. Heiliger Strohsack. Sollen demnächst wir Männer Kinder gebären? Oder die Frauen für’s sich-gemeinsam-Reproduzieren bezahlt werden? Und wieso überhaupt „überwiegend“? Können wir Männer das auch schon, so Zeusschenkelmäßig, und ich hab’s nur nicht mitgekriegt? Oder gibt’s Verträge, bei denen die Anzahl der zu gebärenden Kinder und das vom Vertragspartner je Kind  zu leistende Entgelt festgelegt wird? Fragen über Fragen…

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